Nobody Knows
Interviews

Nobody Knows – Folk für Verrückte

Die Elf ist eine magische Zahl. Und ebenso viele Jahre haben die sechs Damen und Herren von Nobody Knows bereits auf dem noch immer jugendlichen Buckel. Zur Ruhe gekommen sind sie nach lange nicht, sind viel mehr außer Rand und Band und tollen ungezwungen durch die Epochen, mischen den Folk mit inbrünstiger Hingabe auf und tun dies alles mit künstlerischer Versiertheit. Herausgekommen ist das ungewöhnliche Doppelpack „Lyrik im Anzug“ – ein klein wenig verwegen, ein bisschen romantisch und voller Leidenschaft.

Mit einer Didgeridoo-Manie fing anno 2001 in Stendal alles an. Man traf sich im Proberaum, um dem australischen Urblasinstrument mit einem Atemzug die tollsten Töne zu entlocken. Doch Sänger und Frontstreiter Max Heckel, der Band-Opa aus Gründertagen, wollte auch die starren Strukturen an seiner Musikhochschule durchbrechen. „Ich wollte gern Musik machen, die schnell von der Hand geht, die wohlgefällig ist und auch die Leute anspricht“, erinnert er sich amüsiert. Weg vom Elitären hieß die Devise. So fand man sich alsbald im Proberaum ein, um mehr zu tu, als den Klang der Aborigines heraufzubeschwören. Mit irischer Folklore war der Anfang gemacht. Ihr blieb man auch einige Jahre treu. Doch was wäre die Musik ohne Bewegung, ohne Veränderung? Vor etwa fünf Jahren entschlossen sich Nobody Knows schließlich, sich vom reinen Irish Folk zu verabschieden und ein experimentelles Folkgemisch zu brauen. „Wir wollten weg vom ewigen Folkpurismus, der sich allein durch unsere und die Herkunft der meisten hiesigen Folkpuristen ad absurdum führt.“ Thor, eigentlich Thorsten Klein, der Mann am Kontrabass, Flöten und Schalmei, fügt hinzu: „Sich auf Irish Folk zu beschränken, ist wie Suppe kochen mit nur einem Gewürz. Wir sind jung, unvoreingenommen und musikalisch vielseitig interessiert und finden es wichtig, im Leben die Antennen nach allen Seiten auszufahren.“

In jeden Tagen des stilistischen Umbruchs geschah es dann auch, dass die Bande erstmals mit dem Mittelalter in Berührung kam. Max entdeckte den französischen Dichter François Villon für sich, wühlte sich durch die Verse von Walther von der Vogelweide und tauchte weiter in die Jahrhunderte dieser Epoche ein. Doch auch hier verschlossen sich die sechs Folker vor einer eintönigen Ausrichtung und wandten sich gleichzeitig anderen Wortkünstlern der Geschichte zu. Hermann Hesse gesellte sich zu Johann Wolfgang von Goethe, nur um wenig später neben Heinrich Heine am Webstuhl zu stehen. „Lyrik im Anzug“ ward dieses neue Konzept getauft, das die Werke der großen Dichter und Denker unterschiedlichster Jahrhunderte in vielseitigem Folk vereint. Schwierigkeiten, sich bei diesem Facettenreichtum auf einen gemeinsamen Weg zu einigen, habe es nie gegeben, unterstreicht Ronny Heckel, der Gitarre, Mandoline und Mundharmonika in das bunte Klangallerlei von Nobody Knows einstreut. „Das macht sich mit ein wenig Kompromissbereitschaft von selbst, indem sich jeder einbringt, musikalische Ideen beisteuert und eventuell das definiert, was aus der eigenen Sicht gar nicht geht.“ Was mit drei Konzerten in kleinem Rahmen begann, wuchs über die Jahre zu einem der Schwerpunkte des Schaffens der Combo heran und lässt sich aus ihrem Programm nicht mehr wegdenken. Es vereint alt und jung, Akademiker und Schulabstinenzler. Was die Menschen in ihrer Schulzeit in trockenem Tonfall vorgetragen bekamen, knallt ihnen hier ausdrucksstark und unterhaltsam um die Ohren. Angst vor den großen Namen hat man dabei nicht, vielmehr bringt man seine eigenen Sichtweisen der Verse mit voller Hingabe zu Gehör, ganz nach dem Motto, die „Interpretation ist die Rache des Intellekts“. „Wir bieten eine Auslegung an, die man annehmen oder von sich weisen kann“, resümiert Max. „Jeder, der uns auf Konzerten besucht, weiß spätestens nach der zweiten Moderation, dass wir uns nicht allzu ernst nehmen. Das heißt nicht, dass wir ins Lächerliche schweifen, sondern einzig, dass wir die horrende Last von uns weisen, die Interpretation abzuliefern. Wir wollen eine mögliche Variante vorstellen – und wenn ebendiese Anlass zu geistiger Auseinandersetzung bietet, dann ist und das sehr, sehr recht!“ Die Gedichte sollen nichts bewirken, sondern einfach ihre ganze Kraft entfalten.

Eines ist sicher, nämlich, dass bei Nobody Knows nichts sicher ist. Für das nächste Jahr ist eine Konzerttour zum 550-jährigen Jubiläum von François Villon geplant, bei der man sich der Blütezeit der Vulgärsprache als auch der Musik des Spätmittelalters annehmen wird. Die weitere Zukunft bleibt nebulös: „Wir proklamieren eine konzeptionelle Konzeptlosigkeit! Es lebe des Ungewisse!“

ZILLO – Peter „Pöda“ Sailer, (08/2012) (PDF)

Microblog
Termine hier, Termine dort. Mal spielen wir hier und mal am anderen Ort.
02.08.2023, 01:56
App fürs Handy
Kommentare
Zurzeit gibt es keine neuen Kommentare.
RSS-Feed RSS-Feed
Projekte
Netzwerke
Unterstützt von