Nobody Knows
Rezensionen

RoterDorn.de – Wenn Worte leuchten

Dass die sechs Herren von Nobody Knows gelegentlich ihr angestammtes Folk-Genre verlassen und sich anderen Projekten widmen, haben sie mit ihrem letzten Album Lyrik im Anzug recht eindrucksvoll demonstriert. Einen ganz neuen Weg haben sie jedoch mit dem vorliegenden Hörbuch Wenn Worte leuchten eingeschlagen. Die Doppel-CD beinhaltet 45 Gedichte und Aufsätze des Stendaler Schreibzirkels, die ursprünglich nur für den Blindenverband Sachsen-Anhalt gedacht waren, nun aber doch regulär veröffentlicht werden. Die Band zeichnet sich dabei für den passenden musikalischen Rahmen der einzelnen Texte verantwortlich und steuert selbst noch einige abschließende Tracks bei.

Zumeist von Kindern und Jugendlichen geschrieben und gelesen, stehen die verschiedenen Texte nicht in einem gemeinsamen Kontext, sondern beschäftigen sich mit einer Vielzahl von Themen. Zu entdecken gibt es dabei kleine Fabel-Geschichten, wie beispielsweise „Die rasende Schildkröte„, die von der Flucht des namensgebenden Reptils aus einem Zoo nach Kolumbien erzählt oder die vom „Immobilienmakler Affe„, der einem Fisch einen Biberbau verkauft. Auch alltägliche Situationen finden in Gedichten wie „Urlaub„ oder „Was kann ich tun„ Beachtung, zum Schmunzeln gibt es Texte wie „Möchtegern„ oder „Ziemlich kitschig„. Für die nachdenklichen Momente hat das Hörbuch mit Texten wie „Farbenblut„ oder „SCHEIN„ ebenfalls die richtigen Passagen bereit. Zwei Stücke stechen dabei, alleine durch ihre Länge, besonders auf den CDs hervor. Mit über einer halben Stunde Dauer ist „Kiew, Tschernobyl, Prypjat“ mit weitem Abstand das längste Stück und handelt von einer Reise durch die Ukraine und der Besichtigung des zerstörten Reaktorblocks von Tschernobyl. Gespickt mit kleinen Anekdoten und lebhaften Eindrücken des Landes und der Leute vermittelt dieser lange Text dem Hörer ein eindrückliches Bild der ehemaligen Sowjet-Republik. Bedrückend ist auch die zweite lange Geschichte „Und die SONNE schien“ die von einem 14jährigen Mädchen handelt, die durch eine Arzt-Diagnose aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen wird.

Die letzten fünf Tracks der zweiten CD stehen schließlich ganz im Zeichen der Musik. Neben „Wünsch dir noch was“, einer Eigenkomposition von Sänger Max Heckel werden vier Klassiker der deutschen Literatur vertont. Den Anfang macht die kurze Ballade „Der Fischer“ von Goethe, die hauptsächlich durch den Einsatz der Geige und den mehrstimmigen Gesang eine beklemmende Atmosphäre schafft. Auch die folgenden Stücke „Der Abend“ und „Alles still!“ sprühen nicht unbedingt vor Lebensfreude, sorgen aber für einen angemessenen Ausklang des Hörbuchs. Einzig „Die schlesischen Weber“ mit seinen Western- und Country-Anleihen fällt dabei etwas aus dem Rahmen und gewinnt dem ernsten Thema immerhin ein Augenzwinkern ab.

Manche der Texte wirken fragmentarisch, merkwürdig abgehackt oder aus einem größeren Zusammenhang gerissen, was schade ist, da der Hörer bei einigen Stücken schon gerne wissen würde, wie es weiter geht. Der literarische Anspruch ist zwar nicht besonders hoch, doch wird dies durch das zumeist jugendliche Alter der Autoren entschuldigt. Zweifellos liegt hier noch einiges Potential verborgen, dass sich hoffentlich in kommenden Jahren weiter entfalten wird. Die Entscheidung, die Autoren ihre Werke selbst vortragen zu lassen ist hier manchmal nicht unbedingt die beste Wahl, mit einem geübteren Vorleser käme mancher Text sicherlich besser zur Geltung. Die musikalische Untermalung der verschiedenen Werke ist zumeist sehr dezent ausgefallen, gelegentlich wird sogar völlig darauf verzichtet. Die Musik und auch die eingestreuten Geräuscheffekte verstärken meist die Wirkung der Texte, ohne sich jedoch in den Vordergrund zu drängen. Die letzten fünf Tracks fügen sich recht gut in den Kontext dieses Hörbuchs ein, hätten aber durchaus auch auf Lyrik im Anzug ihre Daseinsberechtigung gehabt.

Das Booklet der CD ist mit nur einer Doppelseite leider was dürftig ausgefallen, lediglich die Titel der Stücke und ihre Autoren sind vermerkt. Für weitergehende Informationen muss der Hörer die Internetpräsenz der Band oder des Stendaler Schreibzirkels bemühen.

Ein interessantes, vielfältiges Hörbuch, welches tatsächlich die eine oder andere Perle für den aufmerksamen Zuhörer bereithält.

Marcus Pohlmann, RoterDorn.de, 02.2013 (PDF)

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