Nobody Knows
Critiques

kukma.net – folKing around

Alle Sinne können bei der neuen DVD/CD aufs Vortrefflichste miteinander korrespondieren, nicht nur der musikalische Hörer, auch für den Sehenden bietet diese Live-DVD/CD ein Erlebnis. Und wieder ganz Nobody Knows!

Stendaler Folk-Musik von klassische über irische Folklore bis gesungene Lyrik, von unbeschwert über experimentell bis perfekt. Und nicht zu vergessen ungemein tanzbar.

Für Freunde des Genres ein unbedingtes Muss, für alle Musikfreunde eine Bereicherung. Vielleicht für Sammler ein ganz tolles Booklet, gute Nahaufnahmen der Künstler, Fotos von Wegbegleitern und ein paar kurzweilige Zeilen der Band im beiliegenden Heft: sie ziehen den Hut und danken allen Unterstützern – wer die Folk-Gruppe kennt, zieht den Hut vor der brillanten Entwicklung in diesen elf Jahren Bandgeschichte.

Was bietet nun dieses Album?

Ein Konzert, mit mitreißendem Live-Feeling, Schnitt, Bildgestaltung und Beleuchtung bringen das Bühnenbild und die Kleidung in gedecktem Rot, genauso gut in Szene, wie die gute Laune und die tolle Stimmung des Publikums, aber ganz vortrefflich die Ästhetik der Tonkunst.

Nur das Intro von Maximilian Heinrichs am Keyboard und ein sanft vertontes Gedicht von Francois Villon, gesungen von Max Heckel, zu Beginn sind ruhig und besinnlich, schon mit der zweiten schnellen Vertonung von „Francois“ geht die Post ab.

Die Gedichte und Lieder Francois Villons erzählen vom (Über)Leben aus dem Mittelalter, auch damals schon gab es keine perfekte Eindeutigkeit der Musik, im Gegenteil sie war von improvisatorischer Vortragskunst , sowie von Lust und Laune des Sängers abhängig.

Das klingt auch nach Nobody Knows und wie ist im Booklet zu lesen: Der sogenannte Irish Folk musste Einflüssen deutscher Folklore weichen, die wiederum eigenen Interpretationen deutscher Dichtkunst und die mussten für Fun-Folk & Polka partiell die Segel streichen. Die Polka fand im US-Country ihren Lehrmeister und daneben hatten Mozart, Bach und Brahms auch immer noch ein Wörtchen mitzureden.

Und die Musiker zeigen wunderbar wie bekannte Songs in ein eigenes Gewand gehüllt werden.

Dem Instrumentalstück „Titanic“, von Geige (Georg Marth) und Banjo (Max Heckel) traditionell keltisch getragen und in einem hohem Tempo gespielt, folgt noch temporeicher „Word Up“ der Gruppe „Cameo“, die 1986 wochenlang in den Charts waren.

Spätestens ab diesen Zeitpunkt fährt die Band zur Höchstform auf, neben Max Heckel mit einer Rap-Einlage und super Gitarrenspiel, Thor Klein (Kontrabass, Schalmei, Gesang), Jule Seyer (Schlagzeug, Gesang), Ronny Heckel (Gitarre, Mandoline, Mundharmonika, Gesang) und die schon erwähnten Maximilian Heinrichs (Piano, Hammondorgel, Synthesizer, Keyboard, Gesang)und Georg Marth (Violine, Gitarre, Gesang).

Traditionellen Irish Folk gibt es bei „Creel“ und beim „Irischen Winterlied“, hier ein virtuos dargebotenes Instrumentalstück mit zwei brillanten Geigern (Max Heckel, Georg Marth).

Beim folgenden Song „Tanz!“ überzeugt der sympathische Max Heckel nicht nur mit gut artikuliertem mehrsprachigen Gesang, auch seine Barfuß-Tanzeinlagen beindrucken. Ebenso kommen zwei junge Damen aus dem Publikum der Aufforderung „Tanz“ nach und unterstützen mit einer Darbietung auf der Bühne.

Die Musiker sind bei gefühlten 80 Grad Celsius angekommen (siehe Making-Of), was bei diesem glühenden Spiel-Temperament kein Wunder ist. Etwas langsamer und vielleicht als kühlender Song kommt dann Heckels Vertonung des Heine-Gedichtes „Lorelei“, er gehört aber einfach zur Live-Aufnahme, denn es ist ein Nobody Knows- Klassiker.

Musik, so sagt man, kann nicht durch Begriffe den Verstand unterhalten, in diesem Fall fügt sich alles zu einer Symbiose und wirkt auf die Gefühle.

Die restlichen Titel könnten jetzt dem tanzfreudigen Publikum in die Beine gehen, denn schwungvoll geht es mit einer augenzwinkernder Ansage Heckels (Heine versus Cash) zum Johnny Cash Klassikers „Ring of Fire“ über und Heckel wieder mit dem Banjo brillant.

Passend die folgenden Stücke „Guter Rat“ und „Mason's Apron“, sie sind rhythmischer klassischer Folk mit Bach-Musik und Heine-Text und trotzdem frisch, witzig und diese Mischung ist spannend traditionell. Genau wie der russische Folklore-Song „Katjuscha“, nun singt auch der Saal lautstark mit.

Ein weiterer klassischer Höhepunkt „Ghost Riders“ (S. Jones/D. Tiomkin), freilich bekannt durch Jonny Cash und Klang und Rhythmus erhalten hier eine künstlerische Bedeutung.

Die Auswahl der Stücke ist abwechslungsreich geglückt und nach dem Volkslied aus Neufundland „Pat Murphy“ überzeugt die Band mit einer ungewöhnlichen Cover-Version des Pink Floyd Songs „Wish You Were Here“ ein Titel den sie sehr mögen und der akustisch individuell rezitiert wird.

Danach gibt es kein Halten mehr, die Band-Mitglieder Max Heckel und Jule Seyer werden zum Crowd-Surfing aufgerufen, was sie natürlich auch machen.

Zum Schluss aufgepepptes Liedgut mit „McPherson“ und als lustige Zugabe das deutsche Volkslied „Hans bleib da“, inzwischen ist die Bühne voller Tänzer und Sänger und die Schalmei spornt gemeinsam mit der Trommel immer schneller an.

Dann noch eine letzte ruhige Zugabe „Sing ein Lied für mich“, damit kommen Band und Publikum nun wieder auf normalen Blutdruck.

Ein tolles Album, eine wunderbar sympathisch natürliche Band die ihr Handwerk verstehen.

Außer dem Konzert gibt es auf der DVD ein Making-Of, bei dem der Zuschauer beim Aufbau und den Vorbereitungen für das Konzert zuschauen kann und ein Erleben nach dem Konzert im Back-Stage-Bereich.

Zum Album gehört auch eine Live-CD, fast identisch mit der DVD. Die Stücke „Tanz!“ und „Mason's Apron“ sind nicht darauf, dafür der Song „Lindenbaum“.

kukma.net, 04/2012 (PDF)

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