Nobody Knows
Rezensionen

Ein Achtel Lorbeerblatt – Lyrik im Anzug

Ein Gefühl der Düsternis schwebt mit den ersten Takten von „Francois“ in den Raum, gestützt von einer zarten Instrumentierung und einem Gesang, der sofort an Stephan Eicher denken lässt. Da will man weiter zuhören. Und das sollte man auch. Denn Nobody Knows schaffen es bereits mit ihrem ersten Song auf ihrem „Lyrik im Anzug“ betitelten Album, mich sogar vom Gebrauch eines Saxophons zu überzeugen, was ein wirklich schwerer Weg ist.

Mit „Tandaradei“ nach Walther von der Vogelweide geht es dann fast in die Schlagerecke, aber mit hocherhobenem Haupt und Stil. Mit dieser Version dürfte auch Walther beruhigt im Grabe liegenbleiben können. Denn die Bewegung, die das Lied schon mit sich bringt, reicht hier völlig aus und gibt dem nie veraltenden Text eine neue Identität. Danach tritt dann wieder das Piano in den Vordergrund, wobei gesagt sein muss, dass Nobody Knows jedem Instrument seinen Platz einräumen und es diesen ausfüllen lassen, wenn auch manchmal der Pop die Herrschaft etwas zu sehr an sich reißt. Dem Genuss der Musik tut dies indes keinerlei Abbruch und spätestens bei den „Thränen des Vaterlandes“ wähnt man sich inmitten einer illustren Liedermacherschar auf der Burg Waldeck.

Die Auswahl der Lieder ist vortrefflich, hier mischt sich Mittelalter mit Moderne, bekannte Weisen treffen auf Gedichtsvertonungen und selbst Traditionals erhalten mit „My Bonnie is over the ocean“ ihre Berechtigung. Und Joseph von Eichendorff hätte wohl auch niemals gedacht, dass sein Gedicht „Sehnsucht“ einmal auf eine Weise interpretiert werden könnte, die man durchaus als humorvoll, fast satirisch bezeichnen könnte. So bekommt man sogar als Deutschlehrer noch einen völlig neuen Blick auf Altbekanntes – und das ist auch nicht zu verachten, insbesondere, wenn es auf solch professionelle und liebevolle Art geschieht. Denn liebevoll gehen Nobody Knows mit all den Texten und Melodien um, die sie auf „Lyrik im Anzug“ miteinander verbinden.

Sie schaffen es, mittels ihrer Musik eine Berg-und-Talfahrt der Emotionen anzuzetteln, auf die man sich gerne einlässt, findet sich hier doch für ach so viele persönliche Situationen ein richtiger Song, ein richtiger Ton. Was zudem gelingt, ist das, was man im allerbesten Sinne Coverversion nennen kann, denn hier wird wirklich neu interpretiert, eigene Gedanken und Empfindungen nehmen Einfluss auf die Texte und die Musik, so dass ein neues Lied auf den Grundmauern des bereits Vorhandenem aufgebaut wird, nicht, um für die Ewigkeit zu bestehen, vielmehr als Anreiz, eigene Gestaltungsideen mit einzubringen. Nobody Knows machen Lust auf die Beschäftigung mit dem, mit dem auch sie sich beschäftigt haben, öffnen die Augen für Möglichkeiten und machen Mut.

Sicherlich könnte man hier den Vorwurf erheben, dass ja grundsätzlich nichts Neues geschaffen worden sei, dem kann man nach intensivem Hören aber nur vehement widersprechen, denn das, was hier auf den Silberling (bzw. die Silberlinge, denn eine hervorragende Bonus-CD liegt auch noch bei) gepresst wurde, ist eigenständig und besonders. Ein neuer Blick auf alte Freunde. Mit einem Augenzwinkern. Einfach schön.

Simon-Dominik Otte, Ein Achtel Lorbeerblatt, 08.2013 (PDF)

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02.08.2023, 01:56
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