Nobody Knows
Interviews

Interview Roter Dorn

Was sind Eure musikalischen Einflüsse bzw. Vorbilder, auch mal vom Offensichtlichen abgesehen?

Georg: Led Zeppelin, Foo Fighters, Gorillaz, Oi Va Voi. D.h. musikalische Vielfalt und Ausgefeiltheit gepaart mit treibender Rhythmik.

Maxx: Ich mag Herbie Hancock wegen seines interessanten Funkstils. Wenn ich ihr zuhöre, animiert mich das oft zum Üben. Außerdem mag ich Loreena McKennit, aufgrund der wunderschönen Musik und der einzigartigen Instrumentierung in ihren Stücken. Und zu guter Letzt, neben vielen anderen, die wie immer ungenannt bleiben, Hans Zimmer, der Filmmusikkomponist. Er schafft es, alle Genres und Stile je nach Bedarf zu vereinen und „filmreif“ zu perfektionieren. Bilder allein durch Musik auszudrücken ist eine besondere Kunst, die ich, in ihrer schönsten Form, bei Zimmer finde.

Jule: Meine Vorbilder sind, rhythmisch betrachtet, die Schlaugzeugerin von Farin Urlaub, Rachel. Außerdem höre ich viel Seeed, Peter Fox, Loreena McKennit und Dover. Daneben ist aber viel Platz für anderes, wie bspw. Mark Knopfler, Heather Nova, und viele andere.

Max: Ich bin da etwas einfacher gestrickt. Außerdem kann ich nicht so recht sagen, inwiefern tatsächlich alle „Vorbilder“ auch Einfluss auf unsere Musik haben. Ich höre viel Pogues, 16 Horsepower, Fiddlers Green, Polkaholix, usw. – aber auch Seeed. Gelegentlich bin ich auch der sogenannten Klassik zugetan. Allerdings sind die Pogues zum Mitsingen einfach schmissiger als Vivaldi!

Wie kommt ihr darauf, gerade Folk zu machen?

Max: Uns dem Folk-Genre zu verschreiben, war keine konkrete Entscheidung. Wir haben uns nie zusammengesetzt und dann beschlossen, dass Folk das ist, was wir machen wollen. Die Mischung, die wir derzeit machen, und von der ich nicht behaupten möchte, dass sie das ist, was wir immer machen werden, ist aus unseren Präferenzen entstanden. Ich mochte Irish Folk, Jule lieber Balkanmusik – und so entstand also ein Folkwirrwarr.

Maxx: Ich kam ja erst später zu, als der Stil der Band noch als Irish Folk zu beschreiben war. In diesem Sinne hatte ich also kein Gründungsmitspracherecht, was das Genre anbelangt.

Max: Wobei man ja sagen muss, dass wir vor zehn Jahren mit Didgeridoos in der Stube meines Vaters gesessen haben. Es war überhaupt nicht klar, was wir machen wollten. Es war nur klar, dass ich etwas machen wollte, dass anders als musikschulisch ist. In der Musikschule habe ich immer drei Stücke ein halbes Jahr geübt, dann wurde es zu drei Gelegenheiten aufgeführt – mit zumeist bescheidenem Zuspruch – und dann wurde das nächste geübt. Davon wollte ich weg. Einfach etwas machen, das man nicht ewig üben muss, und für das man sozusagen leichte Lorbeeren einstreicht.

Maxx: Wie dem auch sei. Anfangs war es wohl Gewohnheit, nichts am Stil zu ändern und schließlich hatte ich Lust, unseren Folk zu erneuern und die traditionellen Grenzen aufzubrechen. Dafür haben wir uns dann zunehmend unterschiedlicher Genres und Musikstile bedient. Das hieß: Unbedarft an das Arrangieren eines Stückes herangehen und durch den Begleitstil, den Aufbau und besonders die Instrumentierung (Stichwort Synthesizer) einen völlig neuen Charakter des Stückes hervorbringen.

Werdet ihr euch in Zukunft weiter am traditionellen Liedgut vergreifen oder verstärkt Eigenkompositionen auf die Hörer loslassen?

Maxx: Ich kann ja nur für mich sprechen und derzeit schreibe ich an einigen Eigenkompositionen für die Band. Das scheint auch der allgemeine Trend in der Band zu sein.

Max: Derzeit arbeiten Maxx und ich an einem anderen Projekt. Wir nehmen ein Hörbuch zu Victor Hugos „Der letzte Tag eines Verurteilten“ auf und werden dazu eine „klassische“ Komposition schreiben. Ideen haben wir zu Hauf und es ist auch mal interessant, wieder mit Noten zu hantieren. Seitdem ich aus der Musikschule bin – wow, das ist schon über vier Jahre her – übe ich relativ wenig. Und dieses Projekt gibt mir die Möglichkeit, wieder auf einem anderen Niveau / Stil kreativ zu werden. Wir arbeiten an einer Komposition für ein nahezu wagnereskes Orchester, aber zu viel wollen wir an dieser Stelle noch nicht verraten … Tendeziell werden wir weiterhin traditionelle Klänge miteinbeziehen, aber der Eigenanteil wird zunehmen!

Was macht ihr, wenn ihr gerade nicht mit Nobody Knows im Studio oder auf Tour seid?

Max: Dann studieren wir. Maxx in Braunschweig (Grundschullehramt Deutsch, Musik), Georg in Magdeburg (Informatik) und ich in Halle (Lehramt für Gymnasium für Deutsch, Philosophie, Geschichte, Ethik). Jule ist neuerdings hier in Stendal und macht eine Ausbildung. Ansonsten natürlich den ein oder anderen Nebenjob und andere Projekte. Ich schreibe nebenbei auch Rezensionen und Konzertberichte für Celtic Rock, arbeite an der Uni und habe noch einen zweiten Nebenjob.

Jule: Was mache ich nebenbei: Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten im Krankenhaus, meine Wohnung vollstopfen, Musik hören, und in meinem Lieblingssessel lesen, wenn ich dazu komme, ins Kino gehen, Baby sitten …

Ist Musik für euch eher Hobby oder schon Lebensinhalt/-unterhalt?

Maxx: Nobody Knows ist mittlerweile zu einem festen Standbein geworden. Man kann sich auf die Band verlassen und es macht einfach Spaß, in dieser zusammengewachsenen Gemeinschaft kreativ tätig zu sein; zu wissen, dass man damit anderen Menschen ebenfalls Spaß bereiten kann. Andere Projekte werden natürlich immer eine Rolle spielen, vielleicht in Zukunft auch eine immer größere. Doch vermisst man schon nach einiger Zeit des "Alleinseins" den Haufen und das (konfuse) Zusammenspiel. Insofern würde ich Nobody Knows eher als einen sehr wichtigen Lebensinhalt bezeichnen und die Einzelprojekte als Hobby.

Max: Bei mir ist es ganz ähnlich. Nobody Knows ist für mich zu einer Art Wahlfamilie geworden. Wir hängen jedes Wochenende aufeinander und auch in den Semesterferien. Das prägt natürlich. Wir haben einen sehr eigenen Humor entwickelt, der auf andere bisweilen befremdlich wirken soll – habe ich sagen gehört. Aber zurück zur eigentlich Frage. Die Band ist für mich Lebensinhalt und die Musik hoffentlich bald Lebensunterhalt. Ich denke, dass ich auch andere Projekte machen werde, aber NK wird für mich immer Priorität bleiben. Das Davon-Leben ist schon verlockend. Momentan geht es, weil sich die studentischen Ausgaben in Grenzen halten. Was aber erst ist, wenn wir alle zwölf Kinder haben, kann ich noch nicht sagen.

Georg: Hauptaugenmerk ist momentan das Studium. Die Band ist dabei eine Mischung aus Hobby und Beruf. Finanziell ausreichend ist’s nicht, aber ein guter Zuverdienst. Für die Zukunft ist es ungewiss, ob die Band ein Hauptberuf wird, aber erstrebenswert ist es auf jeden Fall.

Jule: Unsere Musik ist nicht nur mein Hobby, sie bestimmt mein ganzes Leben, darauf richte ich meine Zukunft aus, und auf sie und alle, die damit verbunden sind, freu ich mich nach einer doofen oder anstrengenden Woche im Alltag. Lebensunterhalt: noch nicht ganz, eher ein sehr angenehmes Zubrot – das zwar viel Arbeit erfordert, aber die macht doch meistens Spaß und bringt uns voran.

Plant ihr auch mal eine ausgedehnte Deutschland-Tour?

Max: In dem Sinne, dass wir einen Monat quer durch die Republik touren? Das wäre natürlich super, ist aber in diesem Jahr nicht mehr realisierbar. Dazu ist die Festivaldichte unter der Woche einfach nicht ergiebig genug. Und die meisten Pubs und Locations, wo wir auftreten könnten, sind durch sogenannte Agenturen belegt, oder haben halt kein bzw. kaum Geld. Es ist wenig ergiebig, sieben Stunden mit dem Auto unterwegs zu sein, um dann für Kost und Logie aufzuspielen. Das hat nichts mit Kommerzialisierung – was in diesem Kontext immer gern zum Vorwurf erhoben wird – zu tun, aber das ist neben dem Studium und der Arbeit einfach nicht handhabbar. Aber wer weiß, vielleicht sieht das 2012 schon anders aus. Bisher haben wir uns Jahr für Jahr mit der Auftrittsdichte verbessert und sind auch zunehmend auf Festivals unterwegs. Eine Tour in unserem selbsternannten Genre ist auch insofern schwierig, als dass manche Locations Probleme mit der Uneindeutigkeit unsers Stils haben. Erschwerend ist außerdem, dass insbesondere Pubs eher den Wochenenden zugetan sind. Wie also Montag bis Donnerstag füllen? Bei Ideen sind wir jedenfalls immer für alles offen.

Wie geht ihr an die Neuvertonung eines traditionellen Stückes?

Max: Ich bin da eher der chaotisch-intuitive Typ. In manchen Fällen habe ich eine schicke Melodie und will sie irgendwo unterbringen. Wir haben relativ wenige eigene Texte, weil unsere Musik eigentlich nur sagen soll: Vergesst mal den Alltag und tanzt ordentlich mit uns ab. Daher nehmen wir oft traditionelle Texte. Bisher wollen wir die Welt nicht mit unserer Musik verändern, daher ist mir der Text auch ziemlich egal. Ich betrachte ihn als Mittel der Musik und nicht als primär bedeutungstragend. (Bei rassistischen und sexistischen Inhalten greift das Prinzip „Egal-was-ich-singe“ natürlich nicht.) In andere Fällen habe ich eine Akkordfolge und Maxx spielt während der Probe einfach was drauf. Wir haben manche Stücke schon derartig verunstaltet, dass am Ende ein eigenes Stück dabei herauskam.

Maxx: Hehe. Ich schalte mein Audiosystem ein, stelle alle Spuren auf „Record“ und spiele das, was mir gerade einfällt. Danach schneide ich die Melodien heraus, die etwas bedeuten. Das weiß man erst, wenn man sich das Gespielte angehört hat. Zehn Minuten Schnittmaterial bieten vielleicht 30 Sekunden bedeutungsvolle musikalische Momente. Danach baue ich dann diese Stellen aus und fange an, am PC zu arrangieren. Ist die Grundmelodie erst gegeben, verbringe ich sehr viel Zeit damit, den richtigen Schliff durch den Einsatz geeigneter Instrumente bzw. Effekt zu erzielen.

Wie schafft es eine Folk-Band auf Mittelalter-Sampler?

Max: Wir hatten einen Erstkontakt über eine befreundete Band (vielen Dank an Adivarius) und der war unserer Musik sehr zugetan. Wir hatten also viel Glück und sind sehr glücklich, einen zeitungstechnische Mäzen bei der Zillo zu haben. Wir sind ja keine Mittelalterband, aber ich denke, dass ohnehin viele Stile gemischt werden, so dass auch Bands wie wir – wider allen Folkpuristen – die Chance haben, auf einem solchen Silberling zu erscheinen.

Eure Pläne für die Zukunft?

Maxx: Den Spaß an der Musik nicht verlieren, immer Neues dazulernen und niemals stehenbleiben. Konkret heißt das: Das Hörbuchprojekt, unsere Live-DVD und -CD (Herbst), und ein Doppelalbum Lyrik (Winter) .

Jule: Mehr Auftritte in aller Herren Länder haben – aber irgendwann das nötige Kleingeld, um Leute zu haben, die für dich alles schleppen und aufbauen, und sich auf den ganzen Organisationskram kümmern, und wir tatsächlich nur noch für die Musik zuständig sind. Auf internationalen Festivals spielen – viele andere Bands dabei kennen lernen. Weiterhin eine so geile Zeit zusammen haben. Bandgehöft, Bandgroßfamilie (in Nobody-Knowslingen).

Georg: Erstmal mein Studium abschließen, dann Familie gründen, mit der Band touren, finanzielle Sicherheit erreichen und dann Träume erfüllen. Ich will später gern mal einen Flugschein machen.

Max: Das Studium zu beenden, wäre schon nicht schlecht. Ich würde gern in absehbarer Zukunft von der Musik leben. Ob das was wird, kann ich momentan nicht einschätzen. Großartig wäre es auf jeden Fall, aber man hört von der ein oder anderen Band, dass man sich damit auf ein hartes Pflaster begibt. Musikalisch betrachtet will ich auf jeden Fall niemals stagnieren und weiterhin an unterschiedlichen Projekten arbeiten.

Roter Dorn, (08/2011) (PDF)

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